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wenkekroschinsky

Die drei guten Dinge des Tages

Eine Zeitlang hat man sich in der Psychotherapie darauf konzentriert, unangenehme Emotionen und Gedanken zu reduzieren oder zu verändern. Seit geraumer Zeit liegt der Fokus auch auf die Förderung von angenehmen Emotionen und dem allgemeinen Wohlbefinden. Unter dem Begriff „Positive Psychologie“ wurde geforscht und es entstanden neue Methoden, um psychisch instabilen Personen zu helfen.


Lyumbomirsky, King und Diener (2005) konnten in ihren Forschungen zeigen, dass Glücklichsein dazu führt, dass wir unsere Arbeit als erfüllend und produktiv empfinden, dass glückliche Menschen von guten Beziehungen berichten und sie körperlich und psychisch gesünder sind.


Glücklichsein bedeutet, angenehme Gefühle zu haben, ein vergnügliches, engagiertes und sinnvolles Leben zu führen. Doch was genau kannst du tun, um dein Gefühl des Glücklichsein zu fördern?


Eine Methode, welche das Glücksgefühl der teilnehmenden Versuchspersonen für mindestens sechs Monate steigerte, ist das tägliche Aufschreiben der drei guten Dinge, welche man im Laufe des Tages erlebt hat.


Und so gehst du vor:

Nimm dir jeden Abend Zeit, einen Zettel und einen Stift (ich persönlich empfehle ein kleines A5-Schulheft) und notiere dir drei Dinge, welche gut gelaufen sind. Notiere dir zu jeder Sache, wie es dazu kam, dass du sie erlebt hast und welche eigenen Verhaltensweisen dazu geführt haben, dass sie gut gelaufen sind.


Dabei geht es nicht um die großen Anlässe, sondern die Wahrnehmung der kleinen alltäglichen Dinge macht uns dauerhaft zufrieden und ausgeglichen. Das kann der Sonnenuntergang sein oder dass überhaupt die Sonne deine Haut gewärmt hat. Vielleicht hast du bemerkt, dass an einem Baum, den du täglich siehst, erste Blüten zu sehen sind. Vielleicht hat die Verkäuferin oder der Busfahrer dich heute besonders nett angelächelt. Oder der Chef hat dich gelobt „Gut gemacht.“. Egal wie klein und unbedeutend dir dies erscheinen mag, schreib sie alle auf und überlege, was du selbst dazu beigetragen hast, dass dir diese Dinge widerfahren sind.


Mach diese Übung täglich vor dem Schlafengehen. Lass es zu einer Routine werden. Anfangs könnte es dir schwerfallen, drei positive Begebenheiten zu finden und zu beschreiben, warum diese stattgefunden haben und welchen Anteil du daran hast. Das ist normal und geht vielen Menschen so. Mit der Zeit wird es dir aber immer leichter fallen. Dein Fokus wird sich immer mehr weg von den negativen hin zu den positiven Dingen verschieben und möglicherweise wirst du immer mehr gute Dinge in deinem Tag finden. Gerne kannst du dann auch mehr als die drei notieren.


Weil du außerdem beschreibst, warum dir diese Dinge passiert sind und welchen eigenen Beitrag du dazu geleistet hast, steigt dein Gefühl der Selbstwirksamkeit: Dein Gehirn lernt, dass du durch unterschiedliche Verhaltensweisen einen positiven Einfluss auf deinen Alltag nehmen kannst. Nicht nur der Zufall ist dafür verantwortlich, dass dir Gutes widerfährt, sondern dein eigenes Tun und die Wahrnehmung der positiven Dinge.


„Jeder ist seines Glückes Schmied.“

Zitat nach Appius Claudius Caecus, Politiker im römischen Reich, 3. Jh. Vor Christus


Selbstverständlich werden dir auch weiterhin Situationen begegnen, welche dich unglücklich machen oder du erleidest Rückschläge. Es geht nicht darum, diese Situationen zu verleugnen, sondern es geht darum, die Perspektive zu öffnen. Oft sehen Menschen nur das Schlechte, das Negative, das, was nicht gut läuft. Darüber werden sie missmutig, gedrückt, manchmal sogar depressiv. Unser Gehirn ist dafür gemacht, sich auf das Negative zu konzentrieren, da dies unser Überleben sichert. Und doch gibt es ja auch das Schöne im Leben. Sich dem zuzuwenden, bewusst und neugierig, trägt zu einem zufriedenen Leben bei.


Ich selbst mag diese Methode sehr, da sie wenig Zeit in Anspruch nimmt und somit leicht in den Alltag integriert werden kann. Vor allem das Aufschreiben am Abend vor dem Zubettgehen ist eine sehr angenehme Möglichkeit, den Tag Revue passieren zu lassen und mit schönen Erinnerungen in den Schlaf zu finden.


Ich gebe dir auch noch eine Erweiterung dieser Übung mit:

Schreibe abends sowohl die Dinge auf, die am zurückliegenden Tag gut waren, als auch die positiven Erlebnisse, welche du am nächsten Tag erleben möchtest und was du dafür tun solltest, damit sie auch eintreten. So übst du noch mehr deine Eigenverantwortung und Selbstwirksamkeit bezüglich deines eigenen Glückes.


Vielen Dank für deine Zeit!


Herzliche Grüße

Wenke Kroschinsky

Psychologische Psychotherapeutin für Verhaltenstherapie


Quellen:

Lyubomirsky, S., King, L., & Diener, E. (2005): The Benefits of Frequent Positive Affect: Does Happiness Lead to Success?. Pychological Bulletin, Vol.131, No. 6, 803-855.


Seligman, M. E. P., Stehen, T. A., Park, N., & Peterson, C. (2005): Positive Psychology Progress: Emirical Validation of Interventions. American Psychologist, Vol. 60, No. 5, 410-421.

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3 Comments


stefan.michel65
Aug 12, 2022

Vielen lieben Dank, für diese sehr ausführliche Antwort. Was mir in der Tat immer etwas "Auftrieb" gibt, ist meine aktive Teilnahme an Friedensdemos oder Mahnwachen. Mir ist bewusst, dass ich damit keinen Krieg verhindern kann, aber ich als Winzling auf der Erde tue das, was mir möglich ist und ich habe danach dann ein recht gutes Gefühl, Auch der Austausch mit Gleichgesinnten hilft. Dennoch muss ich noch einiges an mir erarbeiten. Nochmals lieben Dank!! Grüße Stefan Michel

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stefan.michel65
Aug 12, 2022

In der aktuellen Zeit (Krieg, Klimaveränderung, Corona) ist es für mich sehr schwer geworden, positive Gedanken und Wahrnehmungen zu erfahren. Wenn, dann sind diese relativ kurz, z.B. bei Spaziergängen mit dem Hund im Wald. Die o.g. Belastungen sind ja Dinge, die nicht einfach mal wieder vorüber gehen, sondern vermutlich dauerhaft bleiben und somit auch die Unsicherheit, wie es weitergeht. Wie geht man mit diesen Ängsten um? Kann ich sie verdrängen? Bestimmt geht es auch vielen anderen Menschen so. Von den Krisen sind ja auch die Psychologen betroffen! Grüße Stefan M.

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wenkekroschinsky
Aug 12, 2022
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Lieber Stefan, herzlichen Dank für das Teilen deiner Gedanken. Ich würde an dieser Stelle klare Unterscheidungen treffen: Bin ich und meine Familie akut durch etwas bedroht? Genau genommen ist das nur der Fall, wenn wir im jetzigen Moment einer Todesgefahr ausgesetzt sind. Krieg und Corona beeinflusst unser aller Leben, da hast du Recht, aber die meisten von uns sind nicht AKUT bedroht, sondern die akute Bedrohung findet in unserem Kopf statt, indem wir uns ausmalen, was alles passieren könnte. Auf diese Eventualitäten können wir uns bis zu einem bestimmten Maß vorbereiten und Sicherheitsmaßnahmen treffen. Aber wir können uns nicht 100% davor schützen. Da haben wir nur die Möglichkeit, in die Akzeptanz zu gehen. Zum Beispiel wissen wir alle, dass wir…

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