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Die Agoraphobie - die Angst vor öffentlichen Plätzen und Menschenmengen


Welche Angsterkrankungen gibt es?

Teil 1 : Symptome, Folgen, Ursachen, Behandlung der Agoraphobie


Menschen, die unter Agoraphobie leiden, haben Angst vor öffentlichen Plätzen und vor großen Menschenmengen. Sie können nicht allein reisen oder Reisen mit weiten Entfernungen von zu Hause antreten. Da schon die Vorstellung an diese Situationen schrecklich und unaushaltbar ist, werden diese Situationen vermieden oder nur in Begleitung mit einer Person aufgesucht. Sie ziehen es vor, die vertraute Umgebung nicht zu verlassen, zum Teil gar nicht mehr aus dem Haus zu gehen. Sie fühlen sich gefangen von ihren Ängsten, haben den Eindruck, ihren Körper nicht kontrollieren zu können und fühlen sich hilflos ausgeliefert. Sie erleben, wie ihr Leben an ihnen vorbeizieht und befinden sich in einem permanenten Kampf zwischen Sehnsucht nach Freiheit, Angst vor vermeintliche Gefahren und Vermeidung.


Agora stammt aus dem Griechischen und bedeutet Marktplatz einer Stadt. Agoraphobie meint die Platzangst, welche sich auf offene Plätze bezieht und nicht auf enge Räume (=Klaustrophobie).


Symptome der Agoraphobie


Agoraphobiker berichten, sie haben in den angstauslösenden Situationen:

  • Herzrasen,

  • schwitzen,

  • zittern,

  • ihr Mund ist trocken,

  • sie bekämen schlechter Luft,

  • der Brustkorb drückt

  • innerliche Unruhe

  • Schwindelgefühle

  • Weiche Knie

  • Angst vorm Sterben

  • Übelkeit

  • Magen-Darm-Beschwerden bis hin zu Harn- und Stuhldrang


Diese Symptome steigern sich bei manchen Personen bis hin zur Panikattacke, welche durch extreme körperliche Empfindungen aus dem oben aufgezählten besteht und vornehmlich von den Gedanken beherrscht wird, dass gleich die Ohnmacht folgt und im schlimmsten Fall der Tod. Man glaubt, völlig die Kontrolle über den Körper verloren zu haben, verrückt zu werden und nichts dagegen tun zu können.


Das Hauptmerkmal der Agoraphobie ist, dass Betroffenen Angst vor der nächsten Angstattacke haben. Sie befürchten, dass sie in bestimmten Situationen mit einer unaushaltbaren Angst reagieren werden und der Situation und damit der Angst nicht entkommen können. Keine Kontrolle über seinen Körper zu haben und die Vorstellung, aus der Situation nicht fliehen zu können oder keine angemessene Hilfe zu bekommen, wird häufig berichtet.


Folgen der Agoraphobie


Aufgrund dieser sehr unangenehmen Symptome vermeiden die Betroffenen die Situationen, anfangs nur im Kleinen, später wird ihre Lebensqualität erheblich eingeschränkt. Einkaufen, Wege und Erledigungen werden von Angehörigen oder Freunden übernommen beziehungsweise können nur in Begleitung erledigt werden.


Folgende Situationen werden häufig gemieden oder mit großem Unwohlsein durchgestanden:

  • Öffentliche Plätze

  • Unbekannte Stadtteile

  • Bummeln in Fußgängerzonen

  • Feste

  • Im Stau stehen

  • Über ein Feld laufen oder Fahrrad fahren

  • Durch Tunnel fahren

  • Über Gewässer fahren

  • Reisen

  • Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln

  • Geschäfte

  • Kinos

  • Konzerte

  • Museen

  • Theater

  • Behörden

  • Restaurants

  • Supermärkte

  • Hallenbad

  • Elternabende

  • Meetings

  • Sportveranstaltungen

  • Aufzüge

  • Kirchen

  • Höhlen


Die Liste ist nicht vollständig. Die Situationen die gefürchtet und damit vermieden werden, sind leider vielfältig.


Der Fokus der Betroffenen liegt vorwiegend auf ihre körperlichen Empfindungen und den Bewertungen, inwieweit diese gefährlich für ihr Leben sein könnten. Oft suchen Betroffene immer wieder Ärzte oder Krankenhäuser auf, weil sie glauben, sie hätten eine ernsthafte körperliche Erkrankung. Sie haben das Vertrauen in ihren Körper verloren. Bei anhaltenden Angstzuständen kommen noch Erschöpfung, Schlafstörungen, eine verminderte Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit und Angst vor der Angst hinzu.


Am schlimmsten sind die Ängste ausgeprägt, wenn die Betroffene sich lange auf die angstauslösenden Situationen vorbereiten können, wenn sie also schon im Voraus sich in ihre Angst vor der Angst verlieren können. Der Kopf ersinnt Horrorszenarien, wie furchtbar es sein wird, dass das nicht bewältigbar ist und die Betroffenen verbringen schon Tage vor der Situation in großer Angst. Die meisten ersinnen dann entweder Vermeidungsgründe oder Sicherheitsverhalten, das wäre zum Beispiel:


  • Sicherstellen, dass man in der Nähe der Tür sitzt

  • Zeiten wählen, in denen nicht viele Menschen erwartet werden

  • Eine Person als Begleitung mitnehmen

  • Sich an Gegenständen festhalten, wie Einkaufswagen, Fahrrad, Tasche

  • Kein Beifahrer sein

  • Strecken vorher planen und Tunnel, Fähren und Autobahnen vermeiden

  • Restaurants wählen mit Selbstbedienungsbuffets anstatt Bestellungen

Auch hier gilt: diese Liste ist fortführbar.


Eine nichtbehandelte Agoraphobie führt häufig zu Depressionen, Medikamentenmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit.


Die Entstehung und die Ursachen der Agoraphobie


Eine Agoraphobie entsteht in den meisten Fällen nicht aus dem Nichts. Oftmals erleben Betroffene körperliche Symptome, welche sie nicht deuten können: Schwindel, Übelkeit, Herzrasen, Luftnot. Diese körperlichen Symptome entstehen meist aufgrund von „natürlichen“ Kreislaufprobleme wie beispielsweise durch zu wenig Flüssigkeit (Dehydrierung) oder Nahrung (Unterzuckerung), einem Infekt, körperliche Anstrengung (z.B. beim Sport), zu viel Nikotin oder Koffein oder Hitze. Das Gehirn versucht nun, diese körperlichen Symptome einzuordnen, da es aber keine offensichtlichen Auslöser findet, bewertet es die Situation, in der die Symptome auftreten, als gefährlich und speichert dies ab. Wird die Situation erneut aufgesucht, signalisiert das Gehirn dem Körper „Gefahr“ und es werden über Stresshormone Angstreaktionen ausgelöst.


Nikotin und Koffein begünstigen die Aufrechterhaltung der Ängste, da sie, wie eine „normale“ Angstreaktion auch, körperliche Symptome wie Herzrasen, erhöhter Blutdruck, Schwindel oder Übelkeit verursachen und durch die Bewertung als gefährlich irrtümlicherweise Angstsymptomen und angstauslösenden Situationen zugeschrieben werden.


Manche Betroffene berichten zudem, dass sie sich zu der Zeit der ersten körperlichen Symptome in einer angespannten, stressigen Phase ihres Lebens befanden: erhöhte Arbeitsbelastung oder Doppelbelastung, Tod oder Krankheit von Angehörigen, Trennung, Jobverlust oder andere stressige Lebensereignisse. Zudem sind wir hohen Ansprüchen an unsere Leistungsfähigkeit ausgesetzt: teils durch das Umfeld, teils durch uns selbst. Angst wird als peinlich und Schwäche gewertet, so dass viele in Stress und unter Druck geraten, sobald sie oder ihr Körper nicht „funktioniert“, wie erwartet.


Auch die Persönlichkeitsstruktur spielt bei der Entstehung einer Agoraphobie eine Rolle. Unsere Persönlichkeitsmerkmale werden maßgeblich von unseren Genen bestimmt. Manche Menschen kommen eher mit einer ängstlichen Persönlichkeit zur Welt und manche sind genetisch mutiger und unerschrockener ausgestattet. Zu Ängstlichkeit neigende Menschen reagieren sensibler auf körperliche Symptome und richten vermehrt ihren Fokus auf diese. Ihnen gelingt es nur schwer, ihre Aufmerksamkeit von den körperlichen Missempfindungen abzuziehen, diese als „normal“ zu bewerten und sich ihren alltäglichen Aufgaben hinzuwenden.


So wie sich unsere Bezugspersonen verhalten, bilden wir unsere Sicht auf die Welt. Wenn unsere Bezugspersonen in der Kindheit eher vorsichtig und ängstlich agieren, dann übernehmen wir die Überzeugung, dass die Welt ein gefährlicher Ort ist und wir auf der Hut vor möglichen Gefahren sein müssen. Sind nun noch die genetischen Veranlagungen für eine erhöhte Angstsensibilität gegeben, so verstärkt sich die Angstbereitschaft. Auch Krankheiten und Tod im familiären Umfeld als Kind erlebt, tragen dazu bei, übermäßige Befürchtungen zu entwickeln.


Die Nachrichtenflut, der wir tagtäglich ausgesetzt sind, schürt die Ängste weiter: Terroranschläge, Krieg, Amokläufe, Mord, Unfälle und andere katastrophalen Ereignisse stürmen auf unser Gehirn ein und lassen uns hautnah das Leid und das Elend auf der Welt miterleben, auch wenn es tausende Kilometer weit entfernt von uns passiert. Das Gehirn kreiert daraus Horrorfantasien und warnt uns ständig vor möglichen Gefahren, die eintreten könnten.

Agoraphobie kann auch mit Panikattacken auftreten, dann spricht man von der Agoraphobie mit Panikstörung. Letztere stelle ich euch in einem weiteren Blogartikel dar.


Behandlung der Agoraphobie – Therapiemethoden


Folgende Bausteine gehören zu einer kognitiven Verhaltenstherapie, um die Agoraphobie zu behandeln:

  • Vermittlung von Wissen über die Erkrankung

  • Förderung der Entspannungsfähigkeit und Regulierungsfähigkeit der körperlichen Symptome

  • Veränderung der Gedankenmuster

  • Konfrontation mit den angstauslösenden Situationen

  • Rückfallprophylaxe


Häufig ist es schwierig, Ängste in Eigenregie zu überwinden. Im Angstbewältigungstraining gehen wir das gemeinsam an: du, ich und andere Teilnehmende arbeiten gemeinsam an einem zukünftigen Leben außerhalb des Gefängnisses der Angst. Alle Informationen dazu findest du unter diesem LINK.


Falls du Fragen hast oder mir gerne ein Feedback zu diesem Blogartikel geben möchtest, kontaktiere mich über dieses FORMULAR.


Herzliche Grüße

Wenke Kroschinsky

Psychologische Psychotherapeutin für Verhaltenstherapie

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